What the hell can a slumdog possibly know?
Voller Erfolg für «Slumdog Millionaire» an den 81st Academy Awards. Nachdem ich den Film von Danny Boyle («Sunshine») vor bald einem Jahr gesehen hatte, rechnete ich nicht damit, dass er am Schluss mit acht Oscars ausgezeichnet würde. Der einfache Grund: Mir gefällt das Drehbuch von Simon Beaufoy nicht. Die Tragikomödie ist zu holprig erzählt und zu manipulativ. Unterhaltsam ist sie aber wegen dem Talent von Boyle trotzdem.
Der wunderbar wandelbare Regisseur Danny Boyle erzählt in «Slumdog Millionaire» die Geschichte von einem unglücklichen Trio aus den Slums von Mumbai. Hauptfigur ist Jamal Malik, der in der Rahmenhandlung als Teilnehmer der indischen Ausgabe von «Wer wird Millionär?» alle Fragen richtig beantwortet. Da er des Betrugs verdächtigt wird, landet er auf dem Polizeiposten, wo er gefoltert und verhört wird. Dort erzählt er auch seine tragische Lebensgeschichte.
Als Kind meisterte Jamal zusammen mit seinem Bruder Salim den beschwerlichen Alltag in den Armenvierteln. Als aber ihre Mutter bei Religionsunruhen getötet wird, landen sie in einem Waisenhaus. Dessen Leiter bildet die Kinder zu Bettlern aus. Dort lernen sie auch Latika kennen, in die sich Jamal sofort verliebt. Doch das Glück dauert nur kurz. Da blinde Bettler mehr verdienen als sehende, werden den Kindern die Augen verätzt. Nur Jamal und Salim gelingt die Flucht.
In der Folge schlagen sich die Jugendlichen mit kleinen Gaunereien durch das Leben. Jamal kann allerdings immer nur an Latika denken. So machen sich die Brüder einige Jahre später auf die Suche nach ihr. Sie wird gerade in einem Rotlichtbezirk ausgebildet, als die Jungen sie entdecken. Es kommt zur blutigen Konfrontation mit dem Leiter des Waisenhauses, und die Wege der Brüder trennen sich vorläufig. Als Erwachsene treffen sie wieder aufeinander. Und Jamal entdeckt auch Latika wieder.
Fast schon episch mutet die Handlung der Brüder an. Doch durch die etwas erzwungene Struktur mit den vielen Rückblenden, in denen erklärt wird, wie sich Jamal das für die «Millionär»-Sendung benötigte Wissen angeeignet hat, wird der Erzählfluss immer wieder unterbrochen. Hier kommen sich Form und Inhalt immer wieder in die Quere. Da manche Übergänge nicht wirklich gelungen sind, wird die an sich faszinierende Konstruktion zur Bürde.
Kommt hinzu, dass Boyle die Mechanismen zur vermeintlichen Steigerung der Spannung noch viel plumper einsetzt als die Moderatoren in der Spielsendung die Erwartungen manipulieren. Die Motivationen der eindimensionalen Figuren ist aber immer viel zu durchschaubar, so dass trotzdem nie wirklich Spannung aufkommt. Der Wissensgewinn drängt sich für gewöhnlich zu äuffällig in den Vordergrund. Dadurch können sich die Figuren nicht wirklich oder zumindest nur in vorbestimmten Bahnen entwickeln. Der MacGuffin wird zum Stolperstein.
Letztlich wirkt auch das aus Bollywood entlehnte Happy End mehr als aufgesetzt und romantisiert dadurch auch das Leben in den Slums. Die Aussage: Egal wie entbehrlich und betrüblich dein armseliges Leben auch ist, wenn es vorbestimmt ist, dann wirst du genau die 14 Antworten lernen, die du benötigst, um 20 Millionen Rupien zu gewinnen (die 15. Frage wird von Jamal erraten). Dann kannst du glücklich mit deiner Freundin tanzen und alle Sorgen vergessen, wie etwa die Verbrecher, die sich ganz bestimmt nicht für den Ermordung ihres Anführers durch deinen Bruder rächen werden. Der durch die Inszenierung hervorgerufene Anspruch an Realismus wird durch unbefriedigende Märchenelemente überdeckt.
Doch durch die einzartig vibrierende Stimmung in den Strassen von Mumbai und die Fülle an Geschichten wird die gegen Ende doch noch berührende Tragikomödie keine Minute langweilig. «Slumdog Millionaire» ist eben auch das Porträt einer Stadt. Schwelgerisch wird die Verwandlung von den Armenvierteln in Bombay zu den Hochhäusern in Mumbai aufgezeigt. Ein Meisterwerk hat Danny Boyle also nicht abgeliefert, aber er bietet immerhin einen schillernden Ausflug in eine fremde Welt, der eindrücklich die Atmosphäre von Mumbai einfängt.
Die Bildqualität der Blu-ray-Disc ist ein wenig Geschmackssache. Gefilmt wurde mit der SI-2K Digital Cinema Camera. Das ermöglichte viel Beweglichkeit, verursacht aber auch die üblichen optischen Nachteile von digitalen Kameras (leicht flimmernde Konturen, gleissendes Licht, niedrigere Kontraste in dunklen Szenen), die jedoch in diesem Film nicht übermässig stark wahrzunehmen sind. Die Blu-ray-Disc bildet insofern die entstandenen Aufnahmen vermutlich so originalgetreu wie möglich wieder. Vorzüglich ist die Tonspur in DTS-HD Master Audio 5.1.
Das Bonusmaterial ist ordentlich. Auf den beiden Audiokommentaren sind Danny Boyle mit Hauptdarsteller Dev Patel und Produzent Christian Colson mit Simon Beaufoy zu hören. Während auf dem ersten Audiokommentar Boyle die Informationen liefert, beschränkt sich Patel darauf, die Musik immer wiede zu loben. Das einzige Extra in HD ist dann auch das Musikvideo «Jai Ho» mit eindrücklicher Tonspur in DTS-HD 5.1. Zusätzlich sind in Standardauflösung noch ein Drehbericht (22 Minuten), ein Beitrag zur WC-Szene (5 Minuten), zwölf entfallene Szenen (33 Minuten) und fünf Interviews (34 Minuten) enthalten.
Bewertung:
Bildqualität (Blu-ray):
Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
(Bilder: ©Pathé Films AG)