How can it not know what it is?
1982 schuf Ridley Scott («Gladiator», «Robin Hood») mit «Blade Runner» ein düsteres Science-Fiction-Meisterwerk. Der desillusionierte Detektiv Rick Deckard (Harrison Ford) jagt in einem industrialisierten und verregneten Los Angeles entflohene Replikanten – Roboter, die wie Menschen aussehen und unvorhergesehen Gefühle entwickelt haben. Deckards eigene Menschlichkeit wird jedoch durch diese unerbittliche Aufgabe in Frage gestellt. Vor allem formal, aber in gewisser Weise auch inhaltlich erwies sich der Film von Scott als stilprägend.
Doch die zwei Versionen von «Blade Runner», die in den USA (eine Version) und im Rest der Welt (eine leicht gewalttätigere Version) in den Kinos zu sehen waren, entsprachen gar nicht den Vorstellungen des Regisseurs. Viele atmosphärisch einzigartige Aufnahmen werden durch die unnötige Erzählstimme der Hauptfigur verschandelt. Zudem wird den beiden Hauptfiguren am Ende eine kitschige Flucht aus der Stadt gewährt, die sich überhaupt nicht mit der dystopischen Grundstimmung des Films vereinbaren lässt.
1990 tauchte dann eine Testfassung von «Blade Runner» auf, die bei den Anhängern auf helle Begeisterung stiess und für ausverkaufte Kinos sorgte. Scott durfte daraufhin den Film noch ein wenig überarbeiten: Die Erzählstimme und die aufgesetzte Schlussszene wurden entfernt, dafür aber ein mysteriöser Traum von einem Einhorn eingefügt. Allerdings stand damals nicht wirklich ausreichend Zeit zur Verfügung. So war Scott mit dem überhasteten «Director’s Cut» immer noch nicht ganz zufrieden. 2001 begannen dann die Arbeiten für den nun vorliegenden «Final Cut», der wirklich die endgültige Fassung sein soll.
Inhaltlich unterscheidet sich die jüngste Version zwar kaum vom «Director’s Cut», formal wurde aber keine Anstrengung gescheut, um kleine Fehler zu beheben und sowohl Bild als auch Ton in bester Qualität vorzulegen. Für einige Szenen sind sogar neue Aufnahmen gedreht worden. So wurde der Kopf von Joanna Cassidy gefilmt, um ihn über den Kopf ihres Stuntdoubles zu kopieren, und um die Lippenbewegungen von Harrison Ford in einer anderen Szene mit den Dialogen in Einklang zu bringen, wurde sein Sohn Benjamin Ford als Lippendouble verwendet. Die zahlreichen Eingriffe und vor allem die grosse Sorgfalt bei der Nachbearbeitung von Bild und Ton lassen den bahnbrechenden Science-Fiction-Thriller nun wirklich in höchster Qualität erstrahlen. Vor allem auf Blu-ray-Disc sind die Detailschärfe und die Tonlandschaft schlicht umwerfend.
Den vollständigen Einblick in die komplexe Geschichte des Films gewährt die «Ultimate Collector’s Edition», in der auf drei DVDs alle fünf Fassungen des Films enthalten sind. Die Unterschiede der einzelnen Fassungen sind zum Teil zwar nur minim, dafür hält die Box auf weiteren DVDs beinahe unendliches Bonusmaterial bereit. Kernstück ist der über drei Stunden lange Drehbericht «Dangerous Days: Making Blade Runner», der auf der DVD-Hülle zurecht als «ultimativ» angepriesen wird. Dieser Drehbericht ist auf DVD auch der Blu-ray-Disc und der Doppel-DVD beigelegt.
Den vollständigen «Blade Runner» in allen Versionen gibt es aber eben nur in der «Ultimate Collector’s Edition». Auf einer der drei zusätzlichen DVDs werden einzelne Aspekte der Produktion in zahlreichen kurzen Berichten beleuchtet. In einem davon wird etwa engagiert darüber diskutiert, ob Deckard nun auch ein Replikant sei oder nicht. Wer nicht einsehe, dass Deckard auch ein Replikant sei, ist gemäss Scott ein «moron», ein Schwachkopf. Regisseur Frank Darabont («The Shawshank Redemption») mag sich mit den Argumenten von Scott allerdings nicht abfinden, denn dadurch würde die Handlung nicht funktionieren. Allerdings gibt es auch Positionen dazwischen. Für Rutger Hauer spielt es keine Rolle: «It doesn’t matter.» Und Daryl Hannah beantwortet die Frage, ob Deckard ein Replikant sei, einfach mit «maybe», vielleicht. Rund 45 Minuten entfallene und alternative Szenen runden diese DVD ab.
Auf der zweiten zusätzlichen Scheibe sind die beiden ursprünglichen Kinoversionen und der «Director’s Cut» enthalten. Wie bei allen Versionen gibt es zu jeder Fassung eine kurze Einführung von Scott. Auf der letzten Scheibe ist die Testfassung enthalten und auch der halbstündige Bericht «All Our Variant Futures», in dem akribisch die Unterschiede der Fassungen seziert werden und die Entwicklung zum «Final Cut» nachgezeichnet wird. Ebenfalls hörenswert ist der zur Testfassung abrufbare Audiokommentar von Paul M. Sammon, dem Autor des Buchs «Future Noir: The Making of Blade Runner».
Bewertung:
Bild-/Tonqualität (Blu-ray):
Bonusmaterial (Blu-ray):
Bonusmaterial «Ultimate Collector’s Edition»:
(Bilder: © Warner Home Video)
Am meisten aufgefallen ist mir die neu hinzugefügte Aufnahme der Taube, die in den Himmel fliegt: toll! Die alte Aufnahme, die seltsamerweise am Tag und bei strahlend blauem Himmel gedreht zu sein schien, hat mich beim Sehen jedes mal gestört.
Ich habe auch den Final Cut, allerdings nur auf DVD. Ich hab Blade Runner allerdings irgendwann als Kind das letzte Mal gesehen, weil mein Vater den so toll fand, als ich dann den Final Cut guckte, sind mir deshalb natürlich zur alten Fassung keine Unterschiede aufgefallen, war einfach zu lange her.