«Serpico» von Sidney Lumet (Blu-ray)

Cornelia Sharpe und Al Pacino in «Serpico»

You’re pretty fuckin’ weird for a cop.

Polizisten in Filmen stossen selten auf viel Liebe. So geht es auch Frank «Paco» Serpico im faszinierenden Korruptionsfilm «Serpico» von Sidney Lumet. Kaum wird Frank an einer Party von seiner Freundin Leslie mit dem Satz «Paco is a policeman» vorgestellt, bricht die Unterhaltung ab. Doch mit seiner ungezwungenen Art und seinen Ansichten über die Klarheit japanischer Kunst, die Tradition von Hirtenhunden in seiner Familie (das Familienwappen sei ein Hirtenhund, der in eine Gondel uriniert) und seine Energie auf der Tanzfläche gewinnt er bald Gefallen.

In «Serpico» spielt Al Pacino («The Godfather», «Any Given Sunday») in einer seiner frühen Rollen den pflichtbewussten New Yorker Polizisten Frank Serpico, der im September 1959 im Alter von 23 Jahren dem New York City Police Department beitritt. Trotz seiner unkonventionellen Art (er kleidet sich ungewöhnlich locker, lässt seine Haare wachsen, liest anspruchsvolle Bücher wie «Don Quijote» und besucht das Ballett) arbeitet er sich rasch nach oben. Nur die Beförderung zum Detective bleibt dem arbeitsamen Ermittler verwehrt.

Als Polizist in zivil muss er ausserdem bald feststellen, das er der einzige Polizist zu sein scheint, der sich nicht von den Kriminellen bestechen lässt – egal in welchem Bezirk er auch eingesetzt wird. Alle seine Versuche, die Vorgesetzten über die Korruption zu informieren fallen auf taube Ohren. Als er von seinen Kollegen immer stärker unter Druck gesetzt wird, wendet sich Serpico schliesslich an die «New York Times». Durch den Bericht in der Zeitung aufgeschreckt, setzt Bürgermeister John Lindsay die Knapp Commission ein, um die Korruptionsvorwürfe zu untersuchen.

Al Pacino und Richard Foronjy in «Serpico»

Die im Film geschilderten Ereignisse basieren allesamt auf Tatsachen. Im Gegensatz zu den meisten Kriminalfilmen, die auch auf wahre Begebenheiten beruhen, konzentriert sich Sidney Lumet in seinen Korruptionsfilmen aber nicht in erster Linie auf die Gewalt, sondern hauptsächlich auf die Figuren. Stand in «Prince of the City» ein Spitzel für eine Sonderkommission im Zentrum, ist «Serpico» sozusagen das Gegenstück von der anderen Seite. Wenn Serpico von einem Vorgesetzten nach dem anderen in Stich gelassen wird, nimmt der entspannt inszenierte Film schon fast absurde Züge an. Konsterniert stellt er fest: «It’s amazing, it’s incredible, but I feel like a criminal, cause I don’t take money.»

In der Charakterstudie eines ehrlichen Polizisten, der keinen Ausweg aus seiner verzwickten Situation findet, wird der Blick auch häufig auf das Privatleben gerichtet. In eindringlicher Perfektion spielt Al Pacino diesen von seiner Moral getriebenen Polizisten, der über ausserordentlich viel Charme verfügt. Eine Nachbarin wickelt er mit den Worten «If you love a man’s garden, you gotta love the man» um den Finger. Doch das berufliche Umfeld lässt nicht wirklich Raum für die Entfaltung einer Partnerschaft. Scheitert eine Beziehung daran, dass Serpico nicht heiraten möchte, wird die nächste Beziehung durch die berufliche Belastung übermässig strapaziert.

Aus Schweizer Sicht fand ich den Satz, der zuletzt über die Leinwand rollt, besonders amüsant: «Serpico is now living somewhere in Switzerland.» Nach den in «Serpico» geschilderten Vorfällen erholte sich Frank Serpico tatsächlich einige Jahre in der Schweiz. In den 80er-Jahren ist er dann allerdings in die USA zurückgekehrt und lebt nun im Staat New York. Er hat nicht nur eine eigene Website eingerichtet, sondern betreibt auch ein Blog, in dem er in regelmässigen Abständen Gedichte und Gedanken zum Zeitgeschehen veröffentlicht hat. Ein Ausschnitt aus seiner im Februar aufgeschalteten anklagenden «Ode to Obama»:

Oh Bomba oh Bomba
It’s really a shame
You’re using your bombs instead of your brains

All of God’s children are all the same
No matter their nation they all can feel pain

You could be a champ
But you act like a chump.

Bild- und Tonqualität der Blu-ray-Disc sind identisch mit der bereits 2007 veröffentlichten HD-DVD. Überzeugend ist die vorzügliche Bildabtastung. Der Originalton ist leider nur als Stereo-Tonspur enthalten, die sich allerdings recht solide anhört.

Musste die HD-DVD noch ohne Bonusmaterial auskommen, sind auf der Blu-ray-Disc zwei Beiträge enthalten. In «Sidney Lumet: cinéaste new‐yorkais» (28 Minuten) von 2005 spricht der Regisseur über sein Verhältnis zu New York. Dazwischen sind Ausschnitte aus «Serpico» eingestreut, auch wenn Lumet gerade «Prince of the City» oder «Dog Day Afternoon» behandelt. Ganz neu ist der Beitrag «Looking for Al Pacino» (29 Minuten) von Dominique Maillet, in dem Regisseure wie Jerry Schatzberg («The Panic in Needle Park», «Scarecrow») oder Michael Radford («The Merchant of Venice») und der Schauspiellehrer Jack Garfein über ihre Beziehung zu Pacino Auskunft geben. Zu Beginn plappert jedoch Jack J. Cambria, Commanding Officer beim NYPD, sechs Minuten lang über Serpico, der über einen gleichen Weitblick wie Jesus und John Lennon verfüge.

Bewertung: 5 Sterne
Bildqualität (Blu-ray): 5 Sterne
Tonqualität (Blu-ray): 4 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
3 Sterne

(Bilder: © Kinowelt Home Entertainment)

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