«The Go-Between» von Joseph Losey (Blu-ray)

Julie Christie in «The Go-Between»

The past is a foreign country: they do things differently there.

Der erste Satz im Roman «The Go-Between» von L.P. Hartley kann auch auf Erzählungen aus vergangenen Jahren angewendet werden, die rein durch ihre zeitliche Distanz fremd erscheinen. So ist es nur angebracht, dass ihn auch Regisseur Joseph Losey und Drehbuchautor Harold Pinter an den Beginn ihrer Verfilmung von «The Go-Between». Stilvoll entlarven sie darin die Doppelmoral der gehobenen Gesellschaft. Doch irgendwie wirken die steifen Emotionen und vor allem die psychologischen Auswirkungen der Handlung auf die Figuren auch ein wenig verstaubt.

Noch ganz grün hinter den Ohren ist der Halbwaise Leo (Dominic Guard), als er im Sommer 1900 seinen 13. Geburtstag feiert. Auf dem Anwesen eines begüterten Schulfreundes trifft er auf dessen wunderschöne Schwester Marian (Julie Christie, «Away from Her», «Troy»), die mit dem Adligen Hugh Trimingham (Edward Fox) verlobt ist. Aber eigentlich ist sie in einen Pachtbauern Ted (Alan Bates) verliebt. Doch so eine unanständige Beziehung kann die vornehme Gesellschaft nicht akzeptieren.

Ohne die Bedeutung der Freundschaft zwischen Marian und Ted zu erkennen, trägt Leo geheime Botschaften zwischen ihnen hin und her. Da auch er aus weniger begüterten Verhältnissen stammt, hat er keine Hemmungen, sich mit Ted zu unterhalten, der von den übrigen Bewohnern des Anwesens eher gemieden oder einfach ignoriert wird, wenn er es nicht gerade wagt, sich in «ihrem» kleinen See abzukühlen. Doch in erster Linie hat Leo den Botendienst sowieso nur übernommen, um die Gunst von Marian zu erlangen. Als er aber allmählich erkennt, dass er von den Erwachsenen ausgenutzt wurde, schlägt sich seine Begeisterung in Frustration um.

Dominic Guard in «The Go-Between»

In der Hitze des Sommers entfaltet sich in «The Go-Between» dieses intime Drama über die Normen und Zwänge der Gesellschaft, in der sich die Figuren noch nach dem Motto «We can’t expect to be happy all the time» ihrem Unglück unterwerfen. Die Hitze ist dann auch eines der dominierenden Motive im Film. Immer wieder wird das Thermometer konsultiert und festgestellt, dass die Temperatur noch ein wenig mehr angestiegen ist. Doch die lähmende Hitze zügelt eben in keiner Weise die Lust der jungen Liebenden.

Die Gefährlichkeit der natürlichen Triebe wird wiederum durch die giftigen Beeren der Tollkirsche (Atropa belladonna) symbolisiert, die wild in verlassenen Nebengebäuden hinter dem Anwesen wachsen. So dienen zahlreiche Gegenstände als Metaphern für die aufgewühle Gefühslwelt. Die Unerfahrenheit von Leo zeigt sich unter anderem in seiner Bekleidung. Von den noblen Menschen erhält er nämlich für die unerträgliche Sommerhitze einen leichten grünen Anzug geschenkt. Nicht nur bei der Präsentation des neuen Kleidungsstücks ist die überhebliche Verachtung zu spüren, mit der die reichen Grundbesitzer den im Vergleich zu ihnen mittellosen Besucher trotz oberflächlichem Wohlwollen behandeln.

Die in «The Go-Between» geschilderten Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsklasse dürfte den meisten modernen Betrachtern eher fremd sein. Das Verlangen nach einem von den Eltern nicht erwünschten Partner ist aber dennoch durchaus nachvollziehbar. Ein anderer Aspekt von «The Go-Between» sorgt da schon eher für Kopfschütteln. Wie der Eröffnungssatz schon andeutet, wird die Geschichte eigentlich als Rückblende erzählt. Schwer geschädigt kehrt in eingestreuten, zunächst eher rätselhaften Szenen der erwachsene Leo an den Ort der Ereignisse zurück, die es ihm verunmöglicht haben sollen, später eine eigene Beziehung einzugehen. Wie behütet muss das Leben von Jugendlichen um 1900 doch gewesen sein, dass sie durch eine verbotene Affäre so stark in ihrer Entwicklung gestört wurden.

Die Bild- und Tonqualität der Blu-ray-Disc sind für einen Film von 1970 vorzüglich. Einige Bilder – vor allem die Aussenaufnahmen und weite Einstellungen – sind zwar leicht matt. Doch die Nahaufnahmen sind von bestechender Klarheit und Schärfe. Julie Christie erscheint so in ihrer vollen Schönheit. Das Bonusmaterial ergänzt den Film durch Interviews (insgesamt etwa 57 Minuten) mit Patricia und Josh Losey, der Witwe und dem Sohn von Losey, sowie Kameramann Gerry Fisher und dem Produzenten John Heyman. Sie berichten ausführlich über die Entstehung des Films und die Reaktionen darauf. Sie erzählen auch, dass die damals beinahe 30-jährige Christie eigentlich viel zu alt für die Rolle gewesen ist, die Finanzierung aber nur durch eine Schauspielerin von ihrem Status gesichert werden konnte. Auch die Audioaufnahme eines Interviews mit Joseph Losey ist auf der Blu-ray-Disc enthalten.

Bewertung: 4 Sterne
Bild-/Tonqualität (Blu-ray): 5 Sterne
Bonusmaterial (Blu-ray):
4 Sterne

(Bilder: © Kinowelt Home Entertainment)

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